Ausgangslage

Der fehlgeleitete Wettbewerbsföderalismus seit 2006 hat insbesondere im Haushaltsnotlageland Saarland dazu geführt, dass die Tarifergebnisse für die Tarifbeschäftigten nur zeitverzögert, teilweise oder gar nicht (Nullrunde 2011) übertragen wurden. Hinzu kommt der dem Abstandsgebot zuwiderlaufende zeitliche Versatz in höheren Besoldungsgruppen und die Beibehaltung der Kostendämpfungspauschale in der Beihilfe. Diese Sparmaßnahmen seit 2011 haben dazu geführt, dass das Saarland im Besoldungsranking (Jahresgehalt) von Bund und Ländern zum Schlusslicht degradiert wurde. Rechtsprechung mit Signalwirkung In den beiden Beschlüssen vom 4. Mai 2020 zur Grundbesoldung des Landes Berlin und zur amtsangemessenen Alimentation von Beamten und Richtern mit mehr als zwei Kindern in Nordrhein-Westfalen hat das Bundesverfassungsgericht seine deutliche Rechtsprechung von 2015 zum Inhalt und Mindestmaß der Alimentation als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums fortgeführt und die Alimentationsrechte der Richterinnen und Richter und der Beamtinnen und Beamten gestärkt. Das BVerfG konkretisiert und verschärft mit diesen Entscheidungen seine 2015 entwickelten Grundsätze und Verfahren zur Überprüfung der Amtsangemessenheit der Beamten- und Richterbesoldung, insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung des für die Ermittlung der Mindestalimentation maßgebenden sozialrechtlichen Existenzminimums. So muss der Abstand der untersten Besoldungsgruppen zum Grundsicherungsniveau der Sozialhilfe mindestens 15 Prozent betragen. Nach diesen Vorgaben des BVerfG hat nunmehr auch die Landesregierung eine Überprüfung der saarländischen Besoldungssituation vorgenommen. Im Spitzengespräch zwischen der Landesregierung und den gewerkschaftlichen Spitzen- organisationen am 20. September 2022 wurde ein entsprechender Gesetzesentwurf vorgestellt. So sollen zur Sicherstellung einer verfassungsgemäßen Mindestalimentation die Grundgehälter der untersten Besoldungsgruppen in der ersten und zweiten Erfahrungsstufe sowie die Familienzuschlagserhöhungsbeträge aufgestockt werden. Zudem soll der Familienzuschlag ab dem dritten Kind deutlich angehoben werden. Die Erhöhungsregelungen sollen rückwirkend zum 1. Januar 2022 in Kraft treten. Hierüber haben wir bereits mit unserem dbb aktuell vom 20. September 2022 informiert. In der schnellen Umsetzung der beiden Beschlüsse des BVerfG vom 4. Mai 2020 zur Grundsicherung und amtsangemessenen Alimentation für Beamte mit drei und mehr Kindern rückwirkend zum 1.1.2022, sieht der dbb einen richtigen und notwendigen Weg, weil er weitere rechtliche Konflikte unterbinden kann. Ob die Regelungen im Gesetzesentwurf tatsächlich ausreichend sind, um den komplexen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu genügen, bleibt aus Sicht des dbb offen. So bleibt auf den ersten Blick fraglich, ob angesichts der doch sehr hohen Inflation seit Mitte des Jahres und der explodierenden Heizkosten, die Grundsicherung in 2022 angehoben werden muss und ob dann noch der von der Landesregierung berechnete Abstand zum Grundsicherungsniveau ausreichend ist bzw. die angenommenen Zahlen zutreffen. Zudem soll das Existenzminimum nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) durch ein Bürgergeld ab 2023 deutlich angehoben werden. Die hieraus resultierenden Konsequenzen müssen durch den Landesgesetzgeber natürlich Beachtung und Umsetzung erfahren.

Der dbb kritisiert in seiner Stellungnahme gegenüber der Landesregierung, dass der Gesetzesentwurf nicht ausreichend ist, um eine verfassungsgemäße Besoldung in allen Besoldungsstufen zur erreichen. Denn das resultierende Besoldungsdefizit im Haushaltsnotlageland Saarland schleppt der öffentliche Dienst seit 2011 nach wie vor mit sich mit. Auch wenn die in der Begründung des Gesetzesentwurfes dargestellten umfangreichen Berechnungen des ersten Prüfabschnitts nach den Vorgaben des BVerfG nicht dazu führen, dass ab 1.1.2022 ein bzw. mindestens drei Parameter erfüllt werden, bleiben die Jahre 2011 bis 2021 weiterhin auf dem Prüfstand des BVerfG und haben nach Ansicht des dbb auch Konsequenzen und Auswirkung auf die Folgejahre.

Offene Rechtsverfahren

Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes – Az. 1 A 22/16 – hat am 17. Mai 2018 einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss erlassen, da es der Ansicht ist, dass die einem Beamten der BesGr. A11 gewährte Besoldung im Saarland ab dem Jahr 2011 nicht mehr amtsangemessen war. Nach Auffassung des OVG ergeben sich beim Vergleich der Beamtenbesoldung mit der Entwicklung der Tariflöhne im öffentlichen Dienst, des Nominallohnindexes und des Verbraucherpreisindexes sowie unter Berücksichtigung des Abstands der untersten Besoldungsgruppe zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau ausreichende Indizien, die eine umfassende Betrachtung und Gesamtabwägung der Verfassungsmäßigkeit des Alimentationsniveaus erforderlich machen. Ein Verhandlungstermin hierzu ist beim BVerfG noch nicht bekannt.

Rechtswahrung

Mit dem rückwirkenden Inkrafttreten des Gesetzesentwurfes zum 1. Januar 2022 (Verabschiedung im Landtag voraussichtlich im Dezember 2022) werden nach Ansicht der Landesregierung die Vorgaben des BVerfG zum 1. Januar 2022 erfüllt. Im Hinblick einer möglichen Rechtswahrung empfiehlt der dbb den Beamtinnen, Beamten und Versorgungsempfängern – wie bereits in den Haushaltsjahren 2018 bis 2021 – vorsorglich auch im Haushaltsjahr 2022 einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation beim Dienstherrn zu stellen. Hierzu stellt der dbb zwei Musteranträge zur Verfügung:

Hinweis
Die gestellten Anträge auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation in den Jahren 2011 bis 2015 sowie in den Jahren 2018 – 2021 haben weiterhin Rechtsgültigkeit!

Herausgeber:

Ewald Linn Landesvorsitzender
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